Maria Stuart, Königin von Schottland (2018)

“Was nun, Schwester?”

Zwei kleine Boote dümpeln im seichten Wasser and der schottischen Küstenlinie. Unter einem grauen Himmel stapft MARIA STUART (SAOIRSE RONAN), Königin von Schottland und legitime Thronfolgerin Englands, über den Strand, ihr kleines Gefolge im Schlepptau. Es ist keine prunkvolle Rückkehr in ihr Heimatland. Aber Prunk interessiert MARIA nicht. Sie will Veränderungen bewirken, für die Nation und gegen die Konventionen des höfischen Lebens und der Politik. ELIZABETH (MARGOT ROBBIE), Monarchin Englands, ist nicht nur ihre Leidensgenossin, sondern tragischerweise auch stärkste Widersacherin.

Regisseurin Josie Rourke arbeitet bei Maria Stuart, Königin von Schottland mit hervorragendem Rohmaterial, doch in all seinen Aspekten fehlt dem Film der entscheidende Schliff: Die Hauptdarstellerinnen (SAOIRSE RONAN, MARGOT ROBBIE) überzeugen mit ihrem Schauspiel, doch viele Nebenrollen sind unglücklich besetzt. Die Kostüme von Alexandra Byrne sind fantastisch, doch werden zu häufig ins Zentrum gerückt und lassen den Film in manchen Szenen zur bloßen Modenschau verkommen. Die Filmmusik von Max Richter trifft die Emotionen perfekt, wenn sie zu hören ist – denn abgesehen von einem viel genutzten Leitmotiv taucht sie kaum auf.

Durch sich abwechselnde Einstellungen wird in einigen Sequenzen des Films die geografische Distanz zwischen MARIA und ELIZABETH aufgehoben. Dieser interessante Ansatz wird jedoch von plakativer Symbolik überlagert und verdängt. Wenn sich ELIZABETH, die mit ihrer Unfruchtbarkeit hadert, schluchzend über einer Tapisserie aus blutroten Papierrosen kauert, kann man nicht umhin die Augen zu verdrehen. Die Parallelen, die zwischen MARIA und ELIZABETH hergestellt werden, bilden das Kernstück des Films. Sie sind keine Feindinnen sondern selbstbestimmte, von ihrem Umfeld verratene und getriebene Frauen, deren Grundstimmung die Sympathie ist.
Hier liegt ein gefährliches Potenzial für Widersprüche. Denn sowohl die penibel herausgebildeten Charaktereigenschaften der beiden Hauptfiguren, als auch die Handlung lassen keinen Raum für die Geschehnisse am Ende des Films. In einer knappen Montage werden diese regelrecht abgewickelt. ELIZABETHS Gesichtszüge verschwinden hinter einer grellen Maske aus Puder und Perücke. MARIA wird aufs Schafott geführt. Die historischen Begebenheiten, von denen man offensichtlich trotz vieler Freiheiten nicht ganz abweichen wollte, haben die Handlung des Films eingeholt und einen Bruch herbeigeführt. Für die vielschichtigen, sehr modern gezeichneten Charaktere gibt es keine Möglichkeit, konsistent zu agieren. Fast die gesamte Laufzeit wird auf das Platzieren dieser Spielfiguren verwandt, doch sie kommen nie zum Einsatz.

„Was nun, Schwester?”, fragt MARIA resigniert ihre Cousine. Eine Antwort findet der Film nicht. Die Unbeholfenheit des Films tritt in der wichtigsten Szene, der Begegnung zwischen MARIA und ELIZABETH, besonders stark zutage. Die beiden Königinnen sprechen sich im Geheimen, in einem einfachen Holzgebäude, in dem große Laken zum Trocknen aufgespannt sind. Wie in einem Versteckspiel bewegen sich die Frauen durch die Schleier – MARIA auf der Suche nach ELIZABETH, die scheu zurückweicht. Dies wirkt furchtbar gestelzt, als träten die Frauen auf eine eigens für ihre Begegnung bereitete Bühne. Und natürlich ist genau das der Fall. Rourke gelingt es nicht, dem Unglauben des Zuschauers Einhalt zu gebieten und ihm das filmische Universum für einen Moment als wahr erscheinen zu lassen. Bei diesem historischen Film wäre es bitter nötig gewesen.