Mission Impossible: Fallout (2018)

Von Verfolgungsjagden und Größenwahn 

Geheimagenten haben so ihre Schwierigkeiten mit dem Neuen – zumindest auf der Leinwand. Der Spionage- und Agentenfilm hat sich über die Jahrzehnte oft neu erfunden, da er sich, um relevant zu bleiben, naturgemäß stärker an den politischen und technologischen Wandel anpassen muss als andere Genres. Das sorgt für interessante Innovationen, kann aber auch leicht schiefgehen.

Während der 2000er Jahre bestimmten drei Franchise-Unternehmen die Spionagewelt des Kinos: Bond, Bourne und Hunt. Dem einstigen Überraschungshit mit dem an Amnesie leidenden US-Geheimagenten Jason Bourne, ging in den letzten Jahren merklich die Puste aus. Mit dem uninspirierten fünften Teil von 2016 verschwand er vorerst in der Versenkung. James Bond, dem Urgestein des Genres, gelang durch eine radikale Neugestaltung zwar der Sprung in das 21. Jahrhundert, doch die neuste Auflage, Spectre, scheiterte spektakulär bei dem Versuch 80er Jahre Klischees in ein modernes Setting zu verpflanzen. Während Regisseure und Drehbuchautoren rund um Bourne und Bond mit deren ikonischen Qualitäten und widersprüchlichen Charaktereigenschaften hadern, scheint der Dritte im Bunde genau zu wissen, was er will. Die Mission Impossible Filmreihe, weniger von der Kritik beachtet als ihre Konkurrenten, hat in den letzten Jahren etwas Erstaunliches vollbracht: Jeder neue Film war besser als der jeweils Vorherige. Diesen Trend setzt Mission Impossible: Fallout als einer der unterhaltsamsten Filme des Sommers fort.

Geschickt modulieren Regisseur Christopher McQuarrie und Editor Eddie Hamilton Actionszenen durch den Einschub von Zwischensequenzen. Selbst eine fast dreißigminütige Verfolgungsjagd quer durch Paris verliert so nicht an Tempo und löst beim Publikum keine Ermüdungserscheinungen aus. Eine fluide Kamera gepaart mit variantenreichen Einstellungen überzeugen visuell. Bei den rasanten Fahrten macht der Soundtrack den Luftdruck spürbar und verstummt dann im richtigen Moment völlig, um Szenen ausklingen zu lassen. Der Film spielt mit den Reaktionen des Publikums und schafft gleichzeitig auf ästhetischer Ebene Klarheit. Eine kaltblütige Attacke der Protagonisten auf einen Polizeikonvoi etwa erweißt sich als reines Gedankenspiel. Das kommt als plötzliche Wendung daher, wird aber durch einen grellen Bloom-Effekt in der Beleuchtung schon zuvor kommuniziert. In Mission Impossible: Fallout wird filmische Detailarbeit geleistet, die man bei vielen aktuellen Actionfilmen schmerzlich vermisst und zuletzt in Mad Max: Fury Road so überzeugend zu sehen war. Das macht den Film zum großen Fisch im kleinen Teich des Genres.

Virtuosität und Stümperei liegen in Fallout jedoch nahe beieinander. Während der Film den geradezu altbackenen Plot um gestohlene Atomwaffen noch leicht verkraftet, leidet er spürbar daran, dass Produzent und Hauptdarsteller TOM CRUISE ihn schamlos zum Vehikel seines Egotismus macht. Von der Exfrau über die kollegiale Spionin und die französische femme fatale bis hin zur angeschossenen Polizistin sind nahezu alle weiblichen Figuren CRUISE’ Alter Ego ETHAN HUNT hilflos verfallen. Die Männer hingegen richten Karriere und Kreuzzug nach Hunt aus: CIA-Chef ALAN HUNLEY (ALEC BALDWIN) degradiert sich freiwillig, um mit ihm zu arbeiten und Antagonist SOLOMON LANE (SEAN HARRIS) hat sowohl Weltherrschaftspläne als auch Lebenswillen zugunsten einer Vendetta aufgegeben. Dieses Muster zieht sich durch den gesamten Film und gipfelt in einer peinlichen Schluss-Szene: Nachdem HUNT mal wieder in letzter Sekunde die Welt gerettet hat, liegt er im Krankenbett und sämtliche unterstützenden Figuren treten an, um ihn einer nach dem anderen mit Lob zu überschütten. Die Szene spielt sich in einem provisorischen Zelt ab und man mag sich unwillkürlich vorstellen wie Geheimdienstchefs, Spione, Ärzte und engste Vertraute draußen artig in einer Schlange stehen um dem Retter zu huldigen. Natürlich sind diese bizarren Aktionen CRUISE’ nichts Neues – so kommentiert LUTHER STICKELL (VING RHAMES) – seit Teil zwei des Franchise dabei und damit dienstältester Mitstreiter – lapidar: „same old Ethan” (dt. guter alter Ethan). Ob das nun ein Hauch Selbstironie oder bierernst ist, sei dahingestellt.

Neben einer ästhetischen Erfolgsgeschichte und einem überzogenen Egotrip steckt in Mission Impossible: Fallout auch ein ökonomisches Lehrstück. Der Film stellt nämlich einen weiteren Baustein in den Langzeitstrategien der chinesischen Filmwirtschaft dar. Dieser gelang mit dem Überraschungshit The Meg, mitproduziert vom chinesischen Amazon-Pendant Alibaba, diesen Sommer bereits ein einschneidender Erfolg. Hinter Mission Impossible: Fallout nun steht unter anderem der Medienkonzern Huayi Brothers, welcher schon seit Längerem ein Auge auf den westlichen Markt geworfen hat. In einer der ersten Actionszenen vermöbelt JOHN LARK, gespielt vom chinesischen Schauspieler LIANG YANG, mühelos die beiden Top Koryphäen des amerikanischen Geheimdienstes, HUNT und AUGUST WALKER (HENRY CAVILL). Erst als eine dritte, britische Agentin eingreift, kann LARK überwältigt werden. Im Trailer für den Film, veröffentlicht von Paramount, hat man Yang hingegen aus der Kampfszene herausgeschnitten. Insofern bestätigt Mission Impossible: Fallout einen weiteren Trend: Zwar holen US-Amerikanische Studios die zahlungskräftigen Chinesen gerne ins Boot, deren kreative Einflussnahme nimmt man aber nur zähneknirschend in Kauf. Rivalität trotz internationaler Kooperation – das könnte auch das Motto von HUNT, WALKER und co. sein.